Digital, unmittelbar und zügig: Zugang zu Recht erleichtern
Diskussion mit dem Deutschen Anwaltverein in Berlin
In ihrem Grußwort betonte Dr. Sylvia Runge, DAV-Hauptgeschäftsführerin: „Wir müssen die Rolle der Anwält:innen thematisieren, die als Bindeglied zwischen Rechtsuchenden und der Justiz die notwendigen Weichen stellen können“. Wer Unrecht erfahren hat, kann sich anwaltlich beraten und vertreten lassen. Oft scheitere dies jedoch schon am Wissen über die eigenen Rechte. Ein Grund dafür könnte die gewachsene Komplexität von Rechtstexten sein, ein anderer die strukturellen Hürden beim Einfordern eben jener. Dabei – das zeigte die Diskussion – sind es nicht nur finanzielle Aspekte, die dazu führen, dass Menschen sich gegen eine Klage entscheiden. Aus Sicht der Anwaltschaft, so Monika Nöhre, stelle auch die unvorhersehbare Urteilsfindung durch die Richterschaft eine Herausforderung für die Frage dar, ob ein Fall gute Aussichten vor Gericht haben könne oder nicht.
Über ihr Selbstverständnis als junge Kanzlei, die sich auf den Weg gemacht hat, das Recht zugänglicher zu machen und die Erwartungshaltung der Mandant:innen ernst zu nehmen, sprach Rebecca Richter. Sie vertritt gerichtlich und zunehmend auch außergerichtlich. Zudem ist sie Mitglied im Deutschen Juristinnenbund. Aus ihrer Sicht braucht es neben einer Begegnung auf Augenhöhe und einer transparenten Darlegung des Klageprozesses auch ein verbindliches Bekenntnis zu mehr pro bono Fällen von Anwält:innen.
Auch Dr. Stephan Nikolaus Barthelmess, stellvertretender Direktor der Stiftung Forum Recht, betonte in seiner Begrüßung: „Wir müssen unseren Blick darauf richten, welche Rolle strukturelle Ungleichheiten und soziale Faktoren bei der Entscheidung spielen, die eigenen Rechte einzufordern.“ Diskutiert wurde daher unter anderem darüber, ob digitale Anwendungen, also Legal-Tech-Lösungen, hier künftig helfen könnten, Barrieren zu überwinden. Hierzu konnte Marco Klock berichten. Er sieht vor allem eine Diskrepanz zwischen der Digitalisierung der Prozesse an deutschen Gerichten und den Bedürfnissen der Bevölkerung, die dadurch zunehmend auf Dienstleister:innen ausweichen würde.
Zu einem ähnlichen Schluss kam auch der Bericht „Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten„, an dem Monika Nöhre in ihrer damaligen Funktion als Präsidentin des Kammergerichts in Berlin für das Bundesministerium der Justiz mitgewirkt hat. Er untersuchte den Rückgang des Klageverhaltens der Bevölkerung. Demnach gingen bei deutschen Zivilgerichten in den letzten 20 Jahren immer weniger Verfahren ein. Das Forschungskonsortium kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass „einzelne justizorganisatorische Faktoren die Attraktivität des Zivilprozesses schmälern würden“ [1].
Könnte ein Perspektivenwechsel in der Justiz hier etwas ändern? Die lebhafte Publikumsdiskussion lieferte dazu verschiedene Impulse und Lösungsvorschläge: So könnte etwa ein Überdenken des eigenen Selbstverständnisses von Anwalt- und Richterschaft als Gatekeeper:innen des Rechts hin zu mehr Service- und Orientierungsangeboten für Büger:innen und pragmatischen lebensweltlichen Lösungen einen Wandel herbeiführen. Als Beispiele wurden Offenheit gegenüber multimedialen Innovationen wie der digitalen Durchführung von Verhandlungen oder einfache Onlineberatungsplattformen genannt.
Weitere Überlegungen gingen in diese Richtung: Müsste das Einfordern der eigenen Rechte nicht eigentlich als Teil der staatsbürgerlichen Grundversorgung verstanden – und dessen Finanzierung – über entsprechende Förderprogramme erleichtert werden?
Ein wichtiger Faktor, dies wurde auch in der Diskussion wiederholt deutlich, ist das mangelnde Verständnis für unser Rechtssystem. „Recht als solches muss sichtbar werden!“, betonte Monika Nöhre in ihrem Schlusswort. „Ich würde mich schon freuen, wenn es in unserem Land mehr Zugang zu Recht geben würde (…). Recht muss ein Gesicht haben!“, betonte sie. Und genau hier, knüpft das Mandat der Stiftung Forum Recht an. Unsere Aufgabe ist es, mit unseren Angeboten (Wissens-)lücken zu schließen und den Menschen den Zugang zu unserem Rechtssystem und den Gesetzesgrundlagen für unser Zusammenleben zu erleichtern. Über unsere Angebote informieren wir regelmäßig hier: Anstehende Veranstaltungen | Stiftung Forum Recht (stiftung-forum-recht.de).
#LetsTalkAboutRecht
Aufzeichnung
Sie konnten nicht dabei sein? Sehen Sie hier den Mitschnitt der Veranstaltung, der uns freundlicherweise vom Deutschen Anwaltverein zur Verfügung gestellt wurde.
Tiefer eintauchen
Abschlussbericht des Forschungskonsortiums
Der Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben „Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten“ steht frei zum Download unter bmj.de bereit.
Über den Deutschen Anwaltverein
Der DAV ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwält:innen und versammelt rund 60.000 Rechtsanwält:innen sowie Anwaltsnotar:innen, die in 253 lokalen Anwaltvereinen im In- und Ausland organisiert sind. Er vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Mehr erfahren Sie unter anwaltverein.de